Kunstkritik – Tatjana Ahlborn

Es gibt wenige Kunstwerke in der heutigen Malerei, die wirklich in uns schöpferische Gedanken und Träume erwecken können, wie dies die Bilder von Paulus Remmers vermögen. Seine Themenpalette reicht von den Landschaftsmotiven bis hin zu Aktdarstellungen und von Genre -Anklängen bis zu religiös-philosophischen Kompositionen. Seine Landschaften sind erotisch, die Akte episch. Genre-Motive sind abstrahiert und die philosophischen Improvisationen sind musikalisch.


Diese immer kunstvoll gediegenen großflächigen Bilder haben jedoch keine Züge der konkreten Menschen oder Plätze zur Vorlage, sondern sind in einer Weise zur Synthese gebracht, die das Zentrum der Dinge durchleuchtet. Die Elemente – Symbole der Landschaften sind so freizügig durchspielt, daß sie Erinnerungen an Spanien , Portugal, Südamerika hervorrufen. Alles Plätze, an denen sich die Schönheit des Steinkörpers unseres Planeten herausstellt. Er hat es geschafft, das Element glühende Sonne in die müde Schläfrigkeit des Mittags zu transportieren. Die Erde erscheint von ihr umarmt und gibt Ihre Erschöpfung und ihre Feuchtigkeit der Luft zurück, wie nach einem Liebesakt.


Zu seiner Zeit war es Gauguins Erfindung gewesen, das Wasser lokal rot und die Luft schwarz zu malen, um das Gefühl “Tahiti” widerzuspiegeln. Paulus Remmers geht hier noch einen Schritt weiter. Er gibt die Atmosphäre und die Bewegung zugleich wieder. Dabei kommt er mit minimalen Mitteln aus: der “Willkür” der Farben und über die Verschiebung des Zentrums in die Diagonale.
Be sonders in den letzten Werken ergreift uns der Wohlklang der Farben. Da ist eine komplizierte Melodie miteinander streitender kalter und warmer Töne, wobei die komplementären Farben endlich doch gewinnen. Der Künstler verzichtet bewußt auf Schwarz-Weiß-Töne. Deren milde Varianten entstehen aus der Mitte des gesamten Farbkreises der “Regenbogenfarben” und damit aus sich selbst heraus.


Paulus Remmers hat die Meisterschaft entwickelt, die Farbe auszumeißeln und sie zum Funkeln zu bringen. Die sich daraus ergebende Spiritualität können wir mit der alten Idee der Vitrage herleiten. Also den Bleiskeletten und sich daraus ergebenden Glasmotiven, die göttliches Licht in ihrer Farbigkeit durchschimmern lassen. Der Kunstmaler arbeitet dabei so fleißig und spirituell zugleich, wie es von den alten Meistern bekannt ist. Er pulverisiert die Grundsubstanzen zu verwendbaren Farben, kocht die Lacke und versucht hierbei neue Rezepte zu entdecken. Der Künstler experimentiert mit Marmormehl, Asche, Blattgold, Bernstein usw.


Die Farbschichten legt er übereinander, um das Spiel des Lichtes auf der Oberfläche des Bildes zu erzielen. Dadurch funkeln, leuchten und spiegeln die Leinwände. Die Farbpalette des Malers multipliziert das Licht, um so selbst große Räume zu umspannen. Diese Räume tragen durch die wahre Monumentalität und dekorative Wirkung zur Mitgestaltung der Architektur erheblich bei. An einer innovativen Innenarchitektur Interessierte werden so zusätzlich animiert, die Stilschaffenden empfangen Impulse.


Paulus Remmers individueller Stil ist ausgeprägt. Es scheint so, als ob er das ganze Volumen seiner Seele in diese Form hineinzwingt. Alle Elemente seiner dekorativen Kompositionen sind gebunden an die Bedeutung im Ganzen. Dabei bleibt er trotz seiner Neigung, die Elemente zu abstrahieren, wahrhaftig und absolut aufrichtig und in seiner Aussagesensibel und gefühlsbetont. Seine Sensibilität überformt die Abstraktion. Ausgeklügelte philosophische Übungen verwandeln sich in Träume, die nachvollziehbar sind und uns nahe erscheinen.


Das Schaffen des Künstlers hat sich in kurzer Zeit zu dem entwickelt, was wir heute vor uns haben. In den neunziger Jahren überwiegen zunächst die gebrochenen Formen. Seine merkwürdig geniale “Maske” und das “Fenster” stehen hierfür als Beispiele. Diese Bilder erregen erstaunlich qualvolle Gefühle, wie Picassos “Guernica”. Vom fast graphisch gestalteten Gemälde der Anfangszeit, über die Zwischenperiode der weiblichen Akte, die philosophischer Bedeutung entbehren jedoch die dekorativen Werke der Jetztzeit vorbereiten halfen, gelangte er nun zur heutigen Fülle der emotional-philosophischen Deutung. Die Stärke seiner Kunst vermittelt sich auch für jene, die nicht unmittelbar kunstkundig sind, weil er sie da anspricht, wo sie ihn verstehen können: in der Fülle der emotionalen und traumverwandten Komposition. Das ist ein Fest der Sinne für jeden Liebhaber der Farben und letztlich der Malerei.

Tatjana Ahlborn
Diplom-Kunsthistorikerin, St. Petersburg